Wir verkleinern den Bundestag: Wahlrechtsreform verabschiedet

Veröffentlicht am 17.03.2023 in Wahlen

Heute haben wir im Bundestag die Änderung des Bundeswahlgesetzes beschlossen. Damit haben wir die Sitze des Bundestages auf eine feste Größe von 630 festgesetzt und außerdem am Verhältniswahlrecht festgehalten. Und das, ohne Wahlkreise zu streichen und damit vor allem den ländlichen Raum zu vernachlässigen.

Warum ist diese Änderung nötig geworden?

Wir müssen das Wahlrecht ändern, denn wir haben in Deutschland ein "personalisiertes Verhältniswahlrecht". Dabei ist der Begriff "Verhältniswahlrecht" auch in der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts der wichtigere Teil, denn das "personalisiert" ist nur ein beschreibendes Adjektiv. Ob eine Bundesstraße zweispurig oder vierspurig ausgebaut ist, macht zwar einen Unterschied, aber am Ende bleibt es eine Bundesstraße. Ob das Verhältniswahlrecht personalisiert oder weniger personalisiert ist, spielt eine untergeordnete Rolle. Ein Wechsel zu einem Mehrheitswahlrecht oder der komischen Konstruktion des "Grabenwahlrechts" der Union wäre dagegen ein völliger Systemwechsel in der Tradition unserer Verfassung.

 

Die Zweitstimme war auf dem Wahlzettel schon immer die wichtigere Stimme, die über die Mehrheiten entschieden hat. Weil wir aber zusätzlich den Anspruch der Vertretung aller Direktmandate hatten, musste der Bundestag in den letzten Wahlperioden immer wieder vergrößert werden, damit die Verteilung nach Zweitstimmenanteilen wieder möglich wurde. Zuletzt führte das zu einem Bundestag mit 736 Abgeordneten an Stelle der ursprünglich vorgesehenen 598 Sitze. Die unschöne Entwicklung der letzten Jahre drehen wir jetzt also um und reduzieren auf festgesetzte 630 Abgeordnete. Damit kommen wir sowohl dem Auftrag des Verfassungsgerichts, vielen Forderungen aus der Bevölkerung aber auch aus allen politischen Parteien nach.

 

Wie machen wir das?

Wir begrenzen die Anzahl der Abgeordneten, indem wir die Direktmandate einer Zweitstimmendeckung unterziehen. Das bedeutet, dass künftig nur noch so viele Erstplatzierte aus den 299 Wahlkreisen einen Sitz im Bundestag erhalten, wie der jeweiligen Partei auch nach dem prozentualen Ergebnis der Zweitstimme zustehen. Dadurch entfallen die Überhang- und Ausgleichsmandate, die den Bundestag in den letzten Jahren "aufgebläht" haben. Innerhalb einer Partei erhalten dann zunächst diejenigen die Plätze im Parlament, die in ihren Wahlkreisen als Erstplatzierte im jeweiligen Bundesland die besten Ergebnisse erzielt haben. In einigen wenigen Fällen kann es nun dazu kommen, dass der Erstplatzierte in einem Wahlkreis nicht mehr dem Deutschen Bundestag angehört, wenn seine Partei nicht genug Zweitstimmen erhalten hat um für alle Direktkandidaten einen Platz zu erhalten. In der ersten Lesung des Gesetzes war noch eine Obergrenze von 598 Sitzen vorgesehen, nun sind wir der Union schon entgegengekommen und haben die Anzahl der Plätze auf 630 erhöht. Das sind immer noch 106 Abgeordnete weniger als aktuell und wir haben einer Sorge der CDU/CSU Rechnung getragen.

 

Warum wurde die sogenannte Grundmandatsklausel gestrichen?

Vor allem die Sachverständigen der Union haben in der Anhörung eine Klarstellung zum echten Verhältniswahlrecht gefordert, deshalb wird die bisherige Grundmandatsklausel gestrichen. Die Grundmandatsklausel besagt(e), dass eine Partei auch dann in den Bundestag einziehen kann, wenn sie bundesweit zwar an der (auch weiterhin) bestehenden 5 %-Klausel gescheitert ist, aber in mehr als 3 Wahlkreisen bei den Erststimmen auf Platz 1 gelandet ist. Dadurch ist aktuell zum Beispiel die Linkspartei mit 39 Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten, obwohl sie mit 4,9 % an der entsprechenden Hürde gescheitert ist. Bei vielen Diskussionen in der Vergangenheit war das vor allem für die Union ein Ärgernis. Nach der Klarstellung der Sachverständigen und der damit verbundenen Streichung der Grundmandatsklausel ist den Kolleginnen und Kollegen nun aber aufgefallen, dass es bei vielen ungünstigen Umständen dazu führen könnte, dass die CSU trotz 35 gewonnener Direktmandate mit 4,99 % nicht mehr im Bundestag vertreten wäre.

Das große Problem der CSU ist nämlich, dass sie als bayerische Regionalpartei nur dort antritt und deshalb auch nur das bayerische Ergebnis als Maßstab für das Ergebnis Bundesebene gilt. Das bedeutet, dass die CSU ein Bayern so viele Stimmen holen muss, dass sie damit bundesweit über 5% liegt. Diese Situation ist für alle anderen Parteien vor allem deshalb so ärgerlich, weil CDU und CSU im Deutschen Bundestag noch nie getrennt abgestimmt haben, sondern sofort immer eine Fraktionsgemeinschaft gebildet haben. Sie treten ja auch immer mit einem/einer gemeinsamen Kanzlerkandidat:in an.

 

Das Verfassungsgericht hat uns in einem der letzten Urteile dazu aufgefordert, dass für parteilose Einzelbewerber auch weiterhin die Möglichkeit zum Einzug in den Deutschen Bundestag bestehen muss. Sehr streng genommen stellen wir aus meiner Sicht nun Einzelbewerber:innen aber sogar besser als Mitglieder einer Partei. Und im Gegensatz zu billigen Stammtischmeinungen ist es mir schon wichtig, dass die Rolle der Parteien ernst genommen wird. Schließlich steht schon im Grundgesetz in Artikel 21: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit." Nur aus diesem Grund bin ich persönlich aber nun auch froh, wenn das Verfassungsgericht die Regelungen des neuen Wahlrechts überprüft. Es ist das gute Recht der Opposition, im Sinne einer funktionierenden Gewaltenteilung bei einem solchen Thema das Verfassungsgericht zu bemühen.

 

Was mich wirklich ärgert ist aber nun die billige Unterstellung von so mancher politischer Stelle, wir würden das Wahlrecht für unsere Zwecke missbrauchen. Das ist schlichtweg falsch, beispielsweise verliert gerade die BayernSPD viele Abgeordnete, denn bisher erhalten wir die erforderlichen Ausgleichsmandate für die CSU.  Beim jetzt beschlossenen Vorschlag verlieren übrigens alle Parteien zwischen 18 und 19% ihrer Sitze. Beim Vorschlag der Union wäre es dagegen so gewesen, dass diese noch einmal dazu gewonnen hätte, während alle anderen verloren hätten.

Ich bin wirklich stolz, dass wir dieses Projekt jetzt lösen, obwohl so viele von uns persönliche Nachteile haben könnten. Ich bin gespannt auf die Prüfung des Verfassungsgerichts bezüglich der Grundmandatsklausel und finde: Es ist höchste Zeit, dass wir das Wahlrecht reformieren!

Mehr zum Thema gibt es auf der offiziellen Webseite der SPD-Bundestagsfraktion

Informationen zur Debatte über die Wahlrechtsreform bietet die Webseite des Deutschen Bundestages. 

 

 

Homepage Christoph Schmid, MdB

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